Alles in heller Aufregung, die Medien überschlagen sich. Wir erleben aktuell in Berlin eine Ausnahmesituation ohne Beispiel in der bundesrepublikanischen Geschichte. An dieser Stelle möchte ich aber auf eine schreckliche Nachricht Bezug nehmen, die die politischen Debatten in den Hintergrund treten lässt. Diese Tage sind auch Tage, innezuhalten, in sich zu gehen und traurig zu sein. Mir gelingt es nicht, das wirklich angemessen zu formulieren. Ein wunderbarer Mensch ist von uns gegangen, wie ich erfahren habe. Sanda Grätz, die jahrzehntelang die SPD in Wuppertal mit geprägt und auf kommunaler und Landesebene ihre Stimme erhoben hat, ist gestorben. Ihre Stimme war eine intellektuelle, nachdenkliche, mutige, kritische Stimme, für Kultur, Gleichberechtigung, Armutsbekämpfung.
Aber noch viel wichtiger war sie als Person. Ich vermisse sie jetzt schon so. Sanda war ein herzlicher, mitfühlender Mensch. Sie hat meinen Weg in der SPD von Beginn an voller Zuspruch begleitet. Sanda hat mich mit all meinen Eigenheiten immer angenommen, wie ich bin. Ohne Besserwisserei, ohne Verurteilung nahm sie klare Standpunkte ein. Denn sie hatte Persönlichkeit und war eine Persönlichkeit.
Mit einer unglaublichen Haltung und Würde und Zurückgenommenheit und Rücksicht auf uns hat sie in den letzten Jahren zusammen mit ihrem Mann und ihrer Tochter ihre Krankheit, ihre Genesung und den Rückfall bewältigt. Dabei hätten wir doch Rücksicht auf sie nehmen müssen. Ihr Mut beschämt mich.
Sie war immer da, wenn man sie brauchte – gefragt und ungefragt. Stets war sie sich bewusst, dass Kultur kein schmückendes Beiwerk ist, sondern uns alle in unserer Unterschiedlichkeit ausmacht. Neugierig auf Neues und Anderes war sie, niemals verhärtet und ignorant. Erlaubt mir, sehr persönlich zu sprechen.
Obwohl es ihr ausgesprochen schlecht ging, schrieb sie mir noch im Augenblick der Verkündung des Wahlerfolges, wünschend, mich direkt umarmen zu können. In Zeiten, in denen wir meinen, dass nur zählt, was veröffentlicht wird, in Zeiten, in denen wir uns einbilden, jeder unserer Schritte wäre bedeutend und mitteilenswert, haben sie und ihre Familie ein Bespiel von Demut und Bescheidenheit gegeben.
Unlängst war es ihr noch ein besonderes Anliegen, in Fragen der Kinderarmut aktiv zu werden und über den bloßen Diskurs hinaus das Hinsehen auf diesen alltäglichen Skandal um uns herum einzufordern.
Sanda, du warst immer Mensch.
Du fehlst.